Spanisches Pflichtteilsrecht - Noterbrecht (2025)
Rechtsanwalt & Abogado
Das spanische Erbrecht sieht den Schutz bestimmter Angehöriger des Erblassers durch einen gesetzlich garantierten Mindestanteil am Nachlass vor. Mit dem vorliegenden Artikel beleuchten wir die wesentlichen Strukturen des spanischen Pflichtteilsrechts.
Auf besondere Bestimmungen der Foralrechte bestimmter Autonomer Gemeinschaften (bspw. Baskenland, Galizien oder Navarra) gehen wir vorliegend nicht ein.
Einführung zum Pflichtteil in Spanien
Die Bestimmungen des spanischen Erbrechts definieren den Pflichtteil als den Anteil am Vermögen des Erblassers, über den dieser aufgrund eines gesetzlichen Vorbehalts zugunsten bestimmter Erben, die nach Artikel 763 Abs. 2 CC als Noterben (herederos forzosos) bezeichnet werden, nicht frei verfügen kann.
Die Vorschrift des Artikel 813 Abs. 1 CC bestimmt in diesem Zusammenhang, dass der Erblasser den Erben ihre Pflichtteile nicht vorenthalten kann, sofern es das Gesetz nicht in bestimmten Fällen ausdrücklich anders vorsieht.
In diesem Sinne begrenzen die Pflichtteile nach spanischen Rechtsgrundsätzen die Testierfreiheit zugunsten der Pflichtteilsberechtigten, insbesondere des Ehegatten und der nächsten Angehörigen.
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Die Noterben im spanischen Pflichtteilsrecht
Bei Noterben (legitimarios) handelt es sich um Personen, denen kraft ihres verwandtschaftlichen Verhältnisses (parentesco) zum Erblasser gesetzlich ein zwingender Anspruch auf einen Teil des Erbes als Pflichtteil zusteht.
Noterben sind gemäß Artikel 807 Abs. 1 des spanischen Zivilgesetzbuchs (Código Civil, „CC“) die Kinder und weiteren Abkömmlinge hinsichtlich ihrer Eltern und Vorfahren. Zudem ist der überlebende Ehegatte als Noterbe zu sehen.
Hatte der Erblasser keine Kinder, gelten seine Eltern und Vorfahren in Bezug auf deren Kinder und Abkömmlinge als Noterben.
Was ist die Rechtsfolge, wenn keine Noterben in Betracht kommen?
Kommen keine Noterben im Sinne des spanischen Erbrechts in Betracht, kann der Erblasser durch Testament frei über sein gesamtes Vermögen oder Teile davon zugunsten jeder beliebigen Person verfügen, die rechtsfähig zum Erwerb ist (capacidad).
Die drei Grundelemente eines Nachlasses im spanischen Pflichtteilsrecht
Ein spanischer Nachlass teilt sich nach allgemeinen Pflichteilsgrundsätzen wie folgt auf:
- Strenger Noterbteil: 1/3 am Nachlass (tercio de legítima)
- Aufbesserungsanteil: 1/3 am Nachlass (tercio de mejora)
- Teil zur freien Verfügung: 1/3 am Nachlass (tercio de libre disposición)
Der "Großpflichtteil" der Kinder und Abkömmlinge im spanischen Erbrecht
Gemäß Artikel 808 Abs. 1 CC sind Kindern und Abkömmlingen in Bezug auf den Noterbteil (legítima) im Grundsatz zwei Drittel (2/3) am Nachlass des Vaters und der Mutter zugewiesen.
Dieser Pflichtteil wird auch als „Großpflichtteil“ bezeichnet – die sogenannte legítima larga oder auch legítima amplia.
Der Großpflichtteil in Spanien (2/3) umfasst den strengen Noterbteil (1/3) sowie den „Aufbesserungsteil“ (1/3).
Gestaltung des Großpflichtteils in Spanien: Kleiner Pflichtteil (legítima corta) als strenger Noterbteil und Drittel zur Aufbesserung (tercio de mejora)
Innerhalb des „Großpflichtteils“ ist ein Drittel (1/3) unter den entsprechend anspruchsberechtigten Personen zu gleichen Teilen aufzuteilen.
Dieses Drittel wird allgemein als kleiner Pflichtteil bezeichnet (legítima corta), meint letztlich jedoch den strengen Noterbteil.
Das andere Drittel innerhalb des Großpflichtteils können Eltern ihren Kindern oder Abkömmlingen – ob natürlich oder im Wege der Adoption – als eine Aufbesserung bzw. im Sinne einer erweiternden Hingabe (mejora) zuweisen.
Hat der Erblasser allerdings in einer öffentlichen Urkunde über die eheliche Güterstandsvereinbarung (capitulaciones matrimoniales) eine Aufbesserung zugesagt – oder auch nicht –, und widerspricht eine entsprechende letztwillige Verfügung im Testament diesem Versprechen, so entfaltet die testamentarische Anordnung keine Wirkung.
Das Drittel zur freien Verfügbarkeit im spanischen Pflichtteilsrecht (tercio de libre disposición)
Der Erblasser darf lediglich über ein Drittel (1/3) seines Nachlasses frei verfügen.
Pflichtteilsbehandlung des überlebenden Ehegatten in Spanien
Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit den Kindern oder Abkömmlingen im spanischen Pflichtteilsrecht
Bei einem Zusammentreffen zwischen dem überlebenden Ehegatten (cónyuge viudo) mit den Kindern oder Abkömmlingen, hat der überlebende Ehegatte nach den spanischen Pflichtteilsgrundsätzen das Recht auf den Nießbrauch an dem für die Aufbesserung zugewiesenen Drittel.
Hinweis zum Zusammentreffen von überlebendem Ehegatten mit Kindern oder Abkömmlingen des Erblassers
In der spanischen Praxis kommt es bei einem Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit den Kindern oder Abkömmlingen des Erblassers nicht selten zu Vereinbarungen über eine lebenslange Leibrente (renta vitalicia), der Übertragung bestimmter Vermögenswerte oder zu einmaligen Ausgleichszahlungen.
Solche Vereinbarungen können mitunter erheblich komplex sein. Daher sollte bei der Ausarbeitung und Verhandlung der Vertragsklauseln die Hinzuziehung eines entsprechend spezialisierten Rechtsanwalts in Erwägung gezogen werden.
Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit Aszendenten bei einer spanischen Erbschaft
Für den Fall, dass keine Kinder oder Abkömmlinge bestehen, aber Aszendenten, hat der überlebende Ehegatte nach den spanischen Pflichtteilsgrundsätzen ein Recht auf den Nießbrauch an der Hälfte der Erbschaft.
Pflichtteilsbehandlung des überlebenden Ehegatten in Spanien bei Fehlen von Deszendenten und Aszendenten
Sofern es keine Deszendenten und Aszendenten gibt, hat der überlebende Ehegatte ein Recht auf den Nießbrauch an zwei Dritteln der Erbschaft.
Pflichtteil der Eltern oder Aszendenten des Erblassers nach den Grundsätzen des spanischen Erbrechts
Stirbt der Erblasser ohne ihn überlebende Kinder oder Abkömmlinge, beträgt der Pflichtteil der überlebenden Eltern oder Aszendenten die Hälfte am Nachlass. Dieser gesetzlich vorbehaltene Anteil ist unter den Eltern zu gleichen Teilen aufzuteilen.
Anders verhält es sich, wenn neben den Aszendenten auch der überlebende Ehegatte erbt:
In diesem Fall reduziert sich der Pflichtteil der Aszendenten auf ein Drittel (1/3) am Nachlass.
Pflichtteilsverzicht in Spanien
Vereinbarungen über einen Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers sind nach Maßgabe des allgemeinen spanischen Erbrechts nichtig.
Der Verzicht auf den Pflichtteil nach dem Versterben des Erblassers ist jedoch unbeschränkt möglich. Er muss allerdings ausdrücklich in einem öffentlichen Dokument erklärt werden.
Berechnung des Pflichteils in Spanien
Für die Bestimmung des Pflichtteils wird nach den gesetzlichen Bestimmungen des spanischen Zivilgesetzbuches auf den Wert der Vermögensgüter bei Versterben des Erblassers nach Abzug der Schulden und Lasten zurückgegriffen – ohne Berücksichtigung testamentarischer Bestimmungen.
Die Aufteilung erfolgt nach den entsprechenden Pflichtteilsbruchteilen.
Pflichtteilsergänzungsanspruch im spanischen Erbrecht
Weist der Erblasser dem Noterben unabhängig vom zugrunde liegenden Rechtsgrund weniger als den ihm zustehenden Noterbteil zu, kann der Noterbe einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen.
Übergehung eines Noterben im spanischen Testament (preterición)
Wird ein Noterbe im Testament nicht erwähnt, normiert Artikel 814 CC, dass diese Übergehung (preterición) den Pflichtteil nicht beeinträchtigt.
Bei einer unabsichtlichen Übergehung von Kindern oder anderen Abkömmlingen gilt: Sind sämtliche Noterben dieser Gruppe übergangen worden, ist die entsprechende testamentarische Vermögensverfügung aufzuheben.
In allen anderen Fällen wird nur die Erbeinsetzung aufgehoben. Testamentarische Anordnungen (mandas) und Aufbesserungen (mejoras) bleiben hingegen wirksam, sofern sie den Noterbteil nicht beeinträchtigen.
Zu beachten ist, dass die Übergehung nicht mit der erbrechtlichen Figur der Enterbung (desheredación) gleichzusetzen ist.
Frist zur Geltendmachung des Pflichtteils in Spanien
Die spanischen Pflichtteilsvorschriften sehen keine ausdrückliche Regelung vor, bis wann der Pflichteilsberechtigte seinen Pflichtteil geltend machen muss.
Es wird in diesem Zusammenahng jedoch auf die allgemeinen Verjährungsregelung des Artikel 1964 Abs. 2 CC zurückgegriffen:
Hiernach muss der Pflichtteil in Spanien innerhalb von fünf Jahren nach Annahme der Erbschaft geltend gemacht werden.
FAQ - Spanisches Pflichtteilsrecht - Noterbrecht in Spanien
Wer gilt nach spanischem Erbrecht als Noterbe?
Als Noterben gelten in Spanien die nächsten Verwandten des Erblassers mit einem gesetzlichen Pflichtteilsanspruch. Dazu zählen in erster Linie die Kinder und weiteren Abkömmlinge. Hat der Erblasser keine Nachkommen, treten die Eltern und Vorfahren sowie der überlebende Ehegatte an deren Stelle.
Wie hoch ist der Pflichtteil der Kinder nach spanischem Erbrecht?
Kindern und Abkömmlingen steht nach Artikel 808 Abs. 1 CC grundsätzlich ein Pflichtteil von zwei Dritteln (2/3) des Nachlasses zu. Dieser sogenannte Großpflichtteil (legítima larga) besteht aus dem strengen Pflichtteil (1/3) und einem weiteren Drittel (1/3) zur Aufbesserung (mejora) zugunsten einzelner Abkömmlinge.
Welchen Pflichtteilsanspruch hat der überlebende Ehegatte unter spanischem Erbrecht, wenn Kinder oder Abkömmlinge vorhanden sind?
Trifft der überlebende Ehegatte mit Kindern oder Abkömmlingen des Erblassers zusammen, steht ihm nach spanischem Erbrecht der Nießbrauch (usufructo) am sogenannten Aufbesserungsteil zu – also am Drittel des Nachlasses, das zur freien Verteilung unter den Abkömmlingen bestimmt ist.
Ist ein Pflichtteilsverzicht nach spanischem Erbrecht möglich?
Ein Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers ist nach den Grundsätzen des spanischen Erbrechts nichtig. Nach dem Tod des Erblassers kann jedoch wirksam auf den Pflichtteil verzichtet werden - dies unter der Voraussetzung, dass der Verzicht ausdrücklich in einem öffentlichen Dokument erfolgt.
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