Inhaltsübersicht
Die Zivilkammer des Obersten Gerichtshof von Spanien (Tribunal Supremo) hatte in einem neueren Urteil vom 18. November 2024 über aufschiebende Bedingungen in einem „Arras-Vertrag“ (= privatschriftlicher Kaufvorvertrag über den Verkauf einer Immobilie) zu entscheiden, STS 5779/2024, Entscheidung 1.542/2024, Revisionsnummer 5956/2019.
Wieder einmal zeigt sich: Um divergierende Vertragsauslegungen und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten effektiv zu vermeiden, ist es unabdingbar, Vertragsbedingungen in einem Arras-Vertrag mit hinreichender Bestimmtheit und unter Beachtung der Grundsätze der Vertragsklarheit und -transparenz zu formulieren.
Zum Hintergrund des Falls
Im November 2017 bot eine spanische Immobilienagentur dem späteren Kläger eine Immobilie zum Kauf an. Der Kläger unterbreitete daraufhin ein Kaufangebot in Höhe von 150.000,- Euro und übergab der Immobilienagentur 3.000,- Euro als Sicherheit, damit die spätere Beklagte als Verkäuferin das Angebot annehmen oder ablehnen konnte.
Am 5. Dezember 2017 nahm die Verkäuferin das Angebot an. In der Folge unterzeichneten die Parteien einen Arras-Vertrag, kraft dessen der Anzahlungsbetrag sich auf insgesamt 9.000,- Euro belief und wonach dieser Anzahlungsbetrag im Sinne von Artikel 1454 des spanischen Zivilgesetzbuches (Código Civil, „CC“) doppelt zurückzuzahlen sei, sofern die Verkäuferin den Vertrag verletzt.
Die aufschiebende Bedingung im konkreten Arras-Vertrag
Der Arras-Vertrag enthielt eine im Dokument unterstrichene und in fett gehaltene aufschiebende Bedingung:
Vorkaufs- / Rückkaufrecht des Mieters
Die Verkäuferin informierte den Mieter der kaufgegenständlichen Wohnung über ihre Verkaufsabsicht sowie den vereinbarten Kaufpreis. Der Mieter entgegnete, die Benachrichtigung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen des Artikels 47 des in diesem Fall anwendbaren städtischen Mietgesetzes von 1964. Zudem sei der vereinbarte Kaufpreis höher als die Kapitalisierung der Miete (capitalización de la renta), weshalb sein Vorzugsrecht einen deutlich niedrigeren Kaufpreis vorsehe.
Da der Mieter beabsichtigte, sein Vorkaufsrecht auszuüben und die Immobilie zu einem Preis weit unter dem Marktwert zu verkaufen wäre, kündigte die Verkäuferin den Arras-Vertrag auf und zahlte dem Käufer die vollständige Anzahlung in Höhe von 9.000 Euro zurück.
Die durch den Käufer in Frage gestellte Vertragsverletzung durch die Verkäuferin
Der Käufer vertrat jedoch die Auffassung, die aufschiebende Bedingung sei nicht erfüllt. Denn der Mieter habe sein Vorkaufsrecht nicht in tatsächlicher Weise ausgeübt. Die Verkäuferin habe durch die Kündigung des Arras-Vertrags eine wesentliche Vertragsverletzung begangen und müsse daher den geleisteten Arras-Betrag in doppelter Höhe zurückzahlen, also 18.000,- Euro.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Mit der Klage vor dem erstinstanzlichen Gericht forderte der Kläger von der Beklagten eine Nachzahlung in Höhe von 9.000 Euro – die Differenz zum doppelten Arras-Betrag – sowie gesetzliche Zinsen aufgrund einer (vermeintlichen) Pflichtverletzung der Beklagten.
Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Berufungsgericht kamen indessen zu dem Ergebnis, dass die im Arras-Vertrag verankterte Bedingung erfüllt sei. Die Beklagte sei lediglich zur Rückzahlung des einfachen Arras-Betrags von 9.000 Euro verpflichtet.
Entscheidung durch den Tribunal Supremo
Auch vor dem Obersten Gerichtshof hatte der Kläger keinen Erfolg. In seiner Revisionsentscheidung stellte das Gericht fest, dass die Nichtausübung des Vorkaufs- oder Rückkaufsrechts durch den Mieter keine Pflichtverletzung der Beklagten darstelle. Maßgeblich sei der Wille der Vertragsparteien gemäß Artikel 1281 des spanischen Zivilgesetzbuches sowie die Auslegung der entsprechenden Erklärungen nach den Artikeln 1284 und 1285 CC.
Die Richter kamen zu dem Schluss, die Parteien seien bei Abschluss des Arras-Vertrags übereingekommen, dass der Immobilienkaufvertrag unwirksam werde, ohne dass der Verkäuferin zusätzliche Kosten entstehen, sofern der Mieter beabsichtige, sein Vorkaufs- oder Rückkaufsrecht auszuüben. Aufgrund der Besonderheiten der alten gesetzlichen Regelungen über städtische Mietverhältnisse hätte der Immobilienverkauf zu einem Preis weit unter dem Marktwert für die Verkäuferin einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust bedeutet. Daher entschied sie sich gegen den Verkauf der Immobilie, was dem Willen der Parteien bei Vertragsabschluss entsprach.
Fazit
Der Fall verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, auch bei vermeintlich geringen Kaufpreisen anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um klare und unmissverständliche Vertragsbedingungen zu gewährleisten.