Allgemeine einleitende Hinweise zum Pflichtteilsrecht
Rechtsanwalt & Abogado
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Testierfreiheit bestimmendes Element der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Rechtsinstitut und als Individualrecht gewährleisteten Erbrechtsgarantie.
Die Testierfreiheit wird durch das Pflichtteilsrecht beschränkt, welches bestimmten Personen trotz Enterbung einen Mindestanteil am Erbe über den Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben garantiert. Der Pflichtteilsanspruch ist als bloße Geldforderung im Sinne eines sog. Geldsummenanspruchs anzusehen und unterfällt den Nachlassverbindlichkeiten, wofür die Erben nach § 1967 Abs. 1 BGB haften.
Die Entziehung des Pflichtteils ist grundsätzlich nur nach Maßgabe der §§ 2333 ff. BGB möglich.
Grundgedanke des Pflichtteilsrechts ist nach der Rechtsprechung die Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers. Diese sollen an den von ihm während seines Lebens geschaffenen Vermögenswerten durch einen schuldrechtlichen Anspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts partizipieren.
Pflichtteilsberechtigte
Zu den Pflichtteilsberechtigten gehören nach der Vorschrift des § 2303 BGB neben Abkömmlingen des Erblassers auch Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu. Die Anspruch auf die Geltendmachung des Pflichtteils der Eltern des Erblassers kann allerdings entfallen, wenn nähere Berichtigte vorhanden sind, vgl. § 2309 BGB.
Voraussetzung für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist stets, dass die Pflichtteilsberechtigten aufgrund einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen, d.h. Testament oder Erbvertrag, von der Erbfolge ausgeschlossen wurden (= Enterbung; vgl. § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB).
Jedoch ist die vollständige Enterbung nicht Voraussetzung für eine Pflichtteilsberechtigung. Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen worden, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so steht diesem gegen den Erben ein Anspruch auf den Zusatzpflichtteil zu (siehe unten).
Zudem kann der Pflichtteil verlangt werden, wenn ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist, vgl. § 2306 Abs. 1 BGB.
Höhe des ordentlichen Pflichtteils
Nach dem Wortlaut des § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Für die Berechnung des Pflichtteils ist zum einen der gesetzliche Erbteil festzustellen, § 2310 BGB. Mitgezählt werden diejenigen, die durch letztwillige Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen (= Enterbte, vgl. § 1938 BGB) oder für erbunwürdig erklärt worden sind. Nicht mitgezählt werden Vorverstorbene und diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben.
Für die Berechnung des Pflichtteils ist bei verheirateten Erblassern der eheliche Güterstand zu berücksichtigen.
Für die Berechnung des Pflichtteils wird darüber hinaus der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt, § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB.
Pflichtteilsberechtigte müssen sich Vorempfänge zu Lebzeiten des Erblassers auf den Pflichteil anrechnen lassen, § 2315 BGB. Es kommt hierdurch zu einer Reduktion des ordentlichen Pflichtteils.
Pflichtteilsrestanspruch
Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2305 S. 1 BGB von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen (= Pflichtteilsrestanspruch).
Bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht.
Pflichtteilsergänzungsanspruch
§ 2325 Abs. 1 BGB gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Ergänzungsanspruch gegen den Erben, um ihn vor einer Aushöhlung seines Anspruchs anlässlich lebzeitig durch den Erblasser vorgenommener Schenkungen zu schützen.
Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist, dass der Erblasser eine Schenkung (§ 516 BGB) an einen Dritten gemacht hat. Es muss sich um eine Zuwendung handeln, die den Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der die beiden Teile darüber einig sind, dass die Schenkung unentgeltlich erfolgt.
Eine Schenkung wird gemäß § 2325 Abs. 3 BGB innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.
Falls nicht erkennbar ist, welche Schenkungen der Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen hat, können Auskunftsansprüche (vgl. § 2314 BGB) und Wertermittlungsansprüche geltend gemacht werden.
Verzicht auf den Pflichtteil
§ 2346 Abs. 1 BGB sieht die Möglichkeit vor, dass Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Die Folge ist nach Satz 2 dieser Vorschrift der Ausschluss des Verzichtenden von der gesetzlichen Erbfolge. Der Verzichtende hat kein Pflichtteilsrecht.
Nach § 2346 Abs.2 BGB kann der der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden, mit der Folge, dass der Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge entfällt.
Ein Vertrag über den Pflichtteilsverzicht ist notariell zu beurkunden, § 2348 BGB.
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