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Eigenbedarfskündigung

Anmerkungen zur Eigenbedarfskündigung und Betriebsbedarf

Steven Rudmann
Rechtsanwalt & Abogado
Letzter Bearbeitungsstand: 16.11.2024

Als häufiges Konfliktthema im Mietrecht erfordert die Eigenbedarfskündigung umfassendes juristisches Fachwissen und eine sorgfältige Interessenabwägung.

Gesetzliche Grundlage der Eigenbedarfskündigung

Zunächst ist festzuhalten, dass der Vermieter eine ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses nur im Falle eines berechtigten Interesses aussprechen kann, vgl. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB.

Für eine Eigenbedarfskündigung ist § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB heranzuziehen, wonach das berechtigte Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dann gegeben ist, wenn der Vermieter die Mieträumlichkeiten für sich als Wohnung, seine Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Aktuelle Rechtsprechung des BGH zu "Familienangehörigen"

Nach einem aktuellen Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 10. Juli 2024, VIII ZR 276/23, sind als Familienangehörige im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nur diejenigen Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach den prozessualen Vorschriften der §§ 383 ZPO, 52 StPO zusteht.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung spezifizieren die genannten prozessualen Vorschriften den Kreis der durch § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Familienangehörigen mit Rücksicht auf eine typisierte persönliche Nähebeziehung.

Einem „Cousin“ eines Vermieters als entfernten Verwandten, dem kein Zeugnisverweigerungsrecht nach den vorerwähnten prozessualen Vorschriften zusteht, gehört nach Ansicht der Richter nicht zu den „Familienangehörigen“. Überdies ändert eine enge persönliche Bindung nichts daran, so dass ein berechtigtes Interesse zur Beendigung des Mietverhältnisses mittels einer Eigenbedarfskündigung für einen Cousin in einem solchen Falle nicht besteht.

Angabe des Grundes

Gemäß § 573 Abs. 3 BGB sind die (konkreten) Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem entsprechenden schriftlichen (= § 568 Abs. 1 BGB) Kündigungsschreiben anzugeben. 

Unter Verweis auf gesetzgeberische Erwägungsgründe soll der Vermieter dem Mieter nach Maßgabe des BGH so zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition verschaffen. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen.

Zudem soll der Vermieter nach Maßgabe der Vorschrift des § 568 Abs. 2 BGB den Mieter in dem Kündigungsschreiben auf die Möglichkeit, die Form und die Frist des Widerspruchs nach den §§ 574 bis 574b rechtzeitig hinweisen.

Hinweis

Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Angabe der Person für die die Wohnung benötigt wird sowie Darlegungen zum (Eigenbedarfs-)Interesse an der Erlangung der Wohnung verlangt, vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021, VIII ZR 6/19.

Kündigungsfrist

Vermieter haben nach § 573c BGB bei dem Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung entsprechende Fristen zu beachten. Die Frist ist dabei von der Dauer des Mietverhältnisses abhängig – der Wortlaut der Norm spricht vom Zeitpunkt seit Überlassung des Wohnraums.

Handelt es sich um eine Mietdauer von bis zu fünf Jahren beträgt die Kündigungsfrist drei Monate. Bei einem Mietverhältnis mit einer Zeitspanne von fünf und acht Jahren erhöht sich die Frist um drei weitere Monate auf sechs Monate. Ab einer Mietdauer von mehr als acht Jahren verlängert sich die Frist noch einmal um drei weitere Monate auf neun Monate.

Achtung: Die Kündigung muss nach § 573c Abs. 1 S. 1 BGB bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zugehen und gilt dann zum Ablauf des übernächsten Monats. Bei Zugang nach dem dritten Werktag eines Monats verschiebt sich die Frist um einen weiteren Monat.

Recht des Mieters zum Widerspruch gegen die Kündigung

Die Vorschrift des § 574 Abs. 1 BGB erkennt dem Mieter das Recht zum Widerspruch gegen eine an sich gerechtfertigte Kündigung des Vermieters zu, verbunden mit der Geltendmachung eines Anspruchs, die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Voraussetzung ist, dass die Mietvertragsbeendigung eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts darstellt. 

Als Härtegründe im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB kommen nach aktueller Rechtsprechung des BGH derartige mit einem Umzug verbundene Nachteile in Betracht, die für den durch diese Vorschrift geschützten Personenkreis deutlich schwerer wiegen als die typischerweise mit einem Wohnungswechsel verbundenen Unannehmlichkeiten.

Als Härtegründe sind unter anderem Erkrankungen in Verbindung mit weiteren Umständen anerkannt.  

Rechtsprechung des BGH zu den Härtegründen

Der VIII. Zivilsenat des BGH entschied mit Urteil vom 10. April 2024, Az. VIII ZR 114/22, dass ein Härtegrund im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB vorliegen kann, wenn der gesundheitliche Zustand eines der geschützten Personen einen Umzug nicht zulässt oder auch die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands besteht.

In dem konkreten Fall hat der BGH – sehr komprimiert zusammengefasst – anlässlich einer (sehr) hohen Gefahr eines Suizids des Mieters für den Fall des Erlasses eines Räumungsurteils eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB angenommen; dies unter Verweis auf die staatliche Pflicht zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.

Die Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund eines Betriebsbedarfs

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur ordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Betriebsbedarfs richten sich nach dem generalklauselartigen Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB.

Der Betriebsbedarf kann vorgetragen werden, wenn der Vermieter die Räume für berufliche oder unternehmerische Zwecke benötigt. 

Es müssen insoweit betriebliche Gründe vorliegen, die die Nutzung der gekündigten Wohnung erforderlich machen. 

Aktuelle Rechtsprechung des BGH

Nach einer aktuellen Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH vom 10. April 2024, Az. VIII ZR 286/22 („Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei in Wohnung“) setzt das „berechtigte Interesse“ im Sinne von § 573 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat.

Der von Seiten des Vermieters ernsthaft verfolgte Nutzungswunsch an der Wohnung muss nachvollziehbar sein. Darüber hinaus muss sein Interesse ebenso schwer wiegen wie die in der Bestimmung des § 573 Abs. 2 BGB aufgeführten Kündigungsgründe. 

Der Mieter kann der Kündigung nach § 574 Abs. 1 BGB widersprechen (s.o.). 

Die Kündigungsfristen richten sich ebenfalls nach der oben erwähnten Vorschrift des § 573c BGB.

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